Gedenken an Heinz Kühn

Rede von Thomas Kutschaty anlässlich des 30. Todestages am Grab von Heinz Kühn auf dem Kölner Ostfriedhof am 12. März 2022

„Heute am Tag, genau vor 30 Jahren, am 12. März 1992, starb Heinz Kühn.
Als Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens prägte er zwölf Jahre die Geschicke unseres Bundeslandes.
Heinz Kühn wurde vor 110 Jahren geboren. Er wuchs als Arbeitersohn auf.
Sein Vater, schlesischer Herkunft und von Beruf Tischler,
war Gewerkschafter und aktiver Sozialdemokrat.
Seine Mutter stellte den rheinisch-katholischen Gegenpol dar.
Mit seinem 16. Lebensjahr schloss sich Heinz Kühn, aufgewachsen in einer “roten Siedlung” in Köln-Mülheim, den Jugendorganisationen der SPD an. Zwei Jahre später trat er in die SPD ein.

Heinz Kühn machte Abitur und begann dann ein Studium an der Universität zu Köln.
Mit marxistischer, kämpferischer Gesinnung lieferte er sich im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold gegen Ende der Weimarer Republik Auseinandersetzungen mit den Schergen der SA und SS.
Und auch nach der Machtergreifung Hitlers versuchte er noch, die SPD-Parteiarbeit auf illegale Weise aufrechtzuerhalten.

Doch er sah sich nach einer ersten Verhaftung durch die Gestapo gezwungen ins Exil zu gehen,
zunächst in die Tschechoslowakische Republik und später nach Belgien, wo er als politischer Journalist und Redakteur wirkte.
Heinz Kühn war ein mutiger Freiheitskämpfer.

 Und wenn wir uns heute Morgen an Ihn erinnern, dann haben wahrscheinlich nicht wenige von uns dabei die Situation in der Ukraine vor Augen. Ein fürchterlicher Krieg gegen die Menschen.

Die Bilder aus dem Kriegsgebiet lassen uns täglich erstarren und die Geflüchteten, die inzwischen auch in Nordrhein-Westfalen ankommen, haben fürchterliches Leid im Gepäck.

 Die Geschichte der Demokratie in Deutschland ist nicht von der Geschichte der Sozialdemokratie zu trennen.
Wir haben Freiheitsrechte und Demokratie erstritten, das Frauenwahlrecht erkämpft, uns jeder Diktatur widersetzt.
Heinz Kühn ist einer dieser Kämpfer.

Wir alle stehen in der Schuld von Freiheitskämpfern wie Heinz Kühn. Die Verantwortung, Frieden in Europa zu sichern, liegt heute in unserer Hand. Deshalb ist es unsere Pflicht, jetzt alles zu tun, um das Leid der Menschen zu lindern und den Ukrainekrieg zu beenden.

 Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges sah es zunächst so aus, als würde Heinz Kühn dauerhaft als Journalist arbeiten wollen. Doch 1948 gelang ihm in Nordrhein-Westfalen der Einzug in den Düsseldorfer Landtag und kurz darauf die Wahl in den zweiten Deutschen Bundestag.

Kühn begleitete der Ruf als brillanter Rhetoriker. Johannes Rau sagte einst über ihn: Er sei kein Aktenmensch gewesen.
Nein: Heinz Kühn hörte zu, sprach mit, übernahm Verantwortung.
Und so folgte Kühn 1962 dem Ruf der NRWSPD, als Spitzenkandidat in der Landtagswahl anzutreten.

Er verlor trotz starker Zugewinne, wurde Fraktionsführer der sozialdemokratischen Opposition und errang vier Jahre später einen Stimmenanteil knapp unterhalb der absoluten Mehrheit. Davon träumen wir heute.

 Dennoch bildete sich zunächst eine schwarz-gelbe Koalition. Sie hielt jedoch nur wenige Monate und Kühn formte eine sozialliberale Koalition. Im Dezember 1966 wurde Kühn zum zweiten sozialdemokratischen Ministerpräsidenten des Landes gewählt, das er fortan für drei Legislaturperioden prägte. Es war nicht das erste sozialliberale Regierungsbündnis in der Bundesrepublik, dennoch wurde der Koalition unter Heinz Kühn als “Düsseldorfer Modell” eine besondere Bedeutung zugesprochen.

Johannes Rau nannte sie einmal einen “Schrittmacher” für die Koalitionsgespräche nach dem Ausgang der Bundestagswahl 1969. Den Grundstein für diesen Erfolg legte Heinz Kühn.

Ein Stück weit hat er – das möchte ich dann heute hinzufügen – also auch die heutige Ampel in Berlin möglich gemacht.

Als Landespolitiker erkannte er die dringende Notwendigkeit, der industriellen Krise mit einem tiefgreifenden Strukturwandel zu begegnen.
Das “Entwicklungsprogramm Ruhr” und das “Nordrhein-Westfalen-Programm” läuteten eine umfassende Modernisierung des Landes ein.
Das Verkehrswegenetz wurde ausgebaut und Erholungsräume geschaffen. Wohnen wurde attraktiver.
Die Schulreform und der Ausbau des Hochschulwesens wurden unter Kühn umgesetzt und haben bis heute sichtbare Spuren hinterlassen.
Auch hier stehen wir in der Verantwortung.

Modernisierung. Wohnen. Infrastruktur. Verkehrswege. Schulwesen. Das kommt uns seltsam vertraut vor – denn es sind die Themen der Zeit.
Ja, Heinz Kühn ist auch hier Vorbild und sein Schaffen ist für mich eine Blaupause.

Es beschämt mich, wenn Brücken und Hochschulen, die von unseren Vorgängern gebaut wurden, heute verfallen. So lähmen wir unsere Wirtschaft und – noch viel Schlimmer – wir setzen die Zukunft von Kindern und Jugendlichen aufs Spiel.
Das können wir uns nicht erlauben.
Wir sind es Architekten Nordrhein-Westfalens, wie Heinz Kühn einer war, schuldig, besser zu werden. Dieses Jahrzehnt muss ein Jahrzehnt des Fortschritts werden.

Ich will, dass aus den Hoffnungen der Menschen wieder Wirklichkeit wird.
Das ist uns damals gelungen, das muss uns heute wieder gelingen.
Gesundheitliche Gründe legten Heinz Kühn 1978 die Amtsübergabe an Johannes Rau nahe.
Doch Kühn kam nur wenig später gemeinsam mit Willy Brandt bei der ersten direkten Wahl ins Europaparlament und war dort bis 1984 Abgeordneter.

Seine Tätigkeit als erster Ausländerbeauftragter der Bundesregierung und sein visionäres “Kühn-Memorandum”, das Deutschland zum Einwanderungsland erklärte, fallen ebenso in diese Zeit genau wie sein Engagement in den Gremien des WDR und die Gründung der Heinz-Kühn-Stiftung anlässlich seines 70. Geburtstages – eine Stiftung des Landes Nordrhein-Westfalen zur Förderung junger Journalistinnen vor allem aus Entwicklungsländern.

Wir erinnern uns heute an einen Freiheitskämpfer. Wir erinnern uns an einen Architekten, der Nordrhein-Westfalen nachhaltig durch große Projekte in der Bildung und Infrastruktur geprägt hat. Und wir erinnern uns an einen Menschen, kein Aktenmensch, sondern jemand der zuhört und anpackt. 

Lieber Heinz Kühn, heute denken wir an Dich.“

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